Logo der Kirchengewerkschaft

Kirchengewerkschaft Landesverband Nord: Aktionsbündnis Kita - Schleswig - Holstein

Kein Personal erste Kita-Gruppen schließen in SH

6. Juni 2016

Viele Fachkrafte fühlen sich Oberfordert — viele Erzieher geben ihren Job auf. Und das ist nicht das einzige Problem.

Weil Kita-Fachpersonal in ausreichender Zahl fehlt, müssen Eltern ihre Kinder offenbar immer öfter wieder mit nach Hause nehmen. Beispiel Rendsburg:

Stadtische Kindertagesstatten haben in den ersten drei Monaten allein 14-mal eine Gruppe ganz oder teilweise schließen müssen — im gesamten Jahr 2014 gab es nur zwei solcher Fälle.

Für den Sprecher des Kita-Aktionsbundnisses Schleswig-Holstein, Markus Potten, ist Rendsburg kein Einzelfall. Ursache seien häufig krankheitsbedingte Ausfälle, die nicht kompensiert werden konnten. Potten spricht von einem „landesweiten und trägerübergreifenden Problem". Die Personaldecke sei ,,in der Regel zu dünn". Vor allem für betroffene Eltern sei dies ein Problem und ärgerlich.

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Landeselternbeirates für Kitas, Volker Peters.

So gebe es nach seiner Kenntnis keinen Kreis, in dem eine ausreichende Zahl so genannter „Springer" vorgehalten werde, um personelle Engpasse in Kitas auszugleichen. „Es fehlt an allen Ecken und Enden", sagte Peters. Dazu gehöre auch eine nicht ausreichende Zahl von Ausbildungsplätzen für pädagogisches Personal.

Zwar wurden in Schleswig-Holstein jährlich bis zu 1000 Erzieherinnen und Erzieher ausgebildet. Knapp ein Drittel davon orientiere sich aber schon in der Ausbildung um und komme „Oberhaupt nicht in der Kita an". Von den Obrigen rund 70 Prozent wechsele ein grofler Teil in den ersten vier bis funf Jahren den Beruf wieder.

Als Grunde fur diese Entwicklung nennt Potten steigende Anforderungen „bei gleichbleibenden oder sich sogar verschlechternden Rahmenbedingungen." Dies Oberfordere Fachkrafte, Leitungen und Trager. Kitas mussten damit hinter dem Anspruch zurückbleiben, eine „hohe Qualität von Betreuung, Bildung und Erziehung zu sichern."

Potten forderte in diesem Zusammenhang einen „Masterplan" zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Kindertagesstattenarbeit in Schleswig-Holstein.

 

http://www.shz.de/regionales/kiel/kein-personal-erste-kita-gruppen-schliessen-in-sh-i... 07.06.2016

 

 

 

Verstandigten sich Trager, Land, Kommunen und Eltern nicht auf einen solchen Weg,

„dann wird es grausam fur alle Beteiligten". Anhaltende Defizite in der frUhkindlichen

Bildung fuhrten dann „binnen zehn Jahren geradewegs zum nachsten Pisa-Schock."

„Dringend reformbedurftig" sei auch die Kita-Finanzierung, an die sich seit 1991 „keine

einzige Landesregierung herangetraut hat", sagt Potten. Zusatzliche Mittel des Landes

hatten in der Vergangenheit immer nur dazu gefuhrt, dass sich andere Beteiligte

schrittweise aus der Finanzierung zuruckgezogen hatten. Als „reine Symbolpolitik"

bezeichnete Potten in diesem Zusammenhang das von der Koalition ab 2017 geplante

Krippengeld von 100 Euro. Zwar mussten Eltern bei den Gebühren entlastet werden.

Dringend notig seien jedoch lnvestitionen fur Strukturverbesserungen im Kita- und

Krippenbereich.

Baustelle friihkindliche Bildung

Ein Kommentar von Peter HOver

Alle wissen es. Niemand aber geht den Kern des Problems an: Das System Kita ist eng

auf Kante genaht. Finanziell, well Eltern etwa im Hamburger Umland astronomisch hohe

Gebuhren von 500 Euro und mehr zahlen mussen.

Personell, weil es an alien Ecken und Enden immer wieder kneift. Und zwar so

schmerzhaft, dass Eltern, wenn die Kita mal wieder in Personalnot ist oder wenn Opa und

Oma gerade nicht greifbar sind, ihre Kinder gleich wieder mit nach Hause nehmen durfen

— besser mussen. In Rendsburg ist dieses Argernis im laufenden Jahr schon mehr als emn

Dutzend Mal vorgekommen — wohlgemerkt: Bei stadtischen Einrichtungen. Das nennt

man kommunalpolitisches Versagen. Wenn zutriffl, was das Aktionsbundnis Kitas in

Schleswig-Holstein beobachtet hat, dann ist Rendsburg eben kein argerlicher Einzelfall.

Dann ist die Stadt am Kanal eben nur em n Beispiel von vielen.

Und die Politik? Die verspricht em n Krippengeld ab 2017 fur Eltern mit Kindern unter drei

Jahren. Gut 30 Millionen Euro kostet dieses rechtzeitig zum Wahljahr auf den Weg

gebrachte Stuck Symbolpolitik. Als wenn sich Wahler so leicht blenden Hellen. Mit 100

Euro, von denen zudem nur Besserverdienende in vollem Umfang profitieren werden, ist

kein einziges Problem gelost, werden Wunsch und VVirklichkeit einer qualitativ

anspruchsvollen fruhkindlichen Bildung und Erziehung weiter auseinanderklaffen.

Besser ware es, alle Verantwortlichen an den Tisch zu holen und em n in sich schlussiges

Finanzierungssystem fur Kitas zu verabreden. Oder in die Qualitat der Einrichtungen zu

investieren. Oder in eine bessere Bezahlung des padagogischen Personals. Oder einen

angemesseneren PersonalschlUssel mit kleineren Gruppen. Oder in em n tragfahiges

Konzept, das zuverlassige Vertretungsregelungen absichert. Das alles aber setzt

politische Kreativitat und den VVillen zur Veranderung voraus.

Autor: Peter HOver


Kontaktdaten der Kirchengewerkschaft