„Erfolgreiche“ Verfassungsbeschwerde gegen arbeitsgerichtliche Entscheidungen zum kirchlichen Arbeitsrecht
Das Bundesverfassungsgericht hat der Verfassungsbeschwerde der Diakonie im Fall Egenberger zwar stattgegeben, allerdings auch bestätigt, dass die Kirchenzugehörigkeit nur verlangt werden kann, wenn die betreffende Tätigkeit es für den Sendungsauftrag der Kirche auch erfordert. Der Fall Egenberger geht nun zurück zum BAG.
Das Bundesarbeitsgericht wird erneut unter Berücksichtigung der Vorgaben des BVerfG entscheiden müssen. Ergebnis offen! Ob das Ergebnis zukünftig für den Einzelfall mehr Klarheit bringen wird, bleibt abzuwarten. Feststehen dürfte, dass sich keine der Extrempositionen, weder die, die das Erfordernis einer Kirchenmitgliedschaft im Arbeitsverhältnis gänzlich ablehnen, noch die, die den kirchlichen Arbeitgebern die autonome Entscheidung überlassen wollen, durchsetzen wird.
Das BVerfG ist der Auffassung, dass das BAG der Bedeutung des kirchlichen Selbst-bestimmungsrechts nicht genug Gewicht beigemessen habe.
Es wird vorgetragen, dass das Urteil des BAG mit der gegebenen Begründung Artikel 4, Abs. 1 und 2 i. V. m. Artikel 140 GG und Artikel 137 Abs. 3, Satz 1 WRV verletze, weil es die Tragweite des religiösen Selbstbestimmungsrechts bei der im Rahmen des § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG vorzunehmenden Güterabwägung nicht hinreichend beachtet. Bei der Auslegung und Anwendung der Tatbestandsmerkmale des § 9 Abs. 1 Alt. 2 AGG messe das BAG damit dem Selbstbestimmungsrecht nicht jene besondere Bedeutung bei, die ihm das Verfassungs- und Unionsrecht einräumt.
Das BVerfG moniert, dass das BAG sein eigenes Verständnis einer glaubwürdigen Vertretung des kirchlichen Ethos nach außen an die Stelle des Verständnisses der Diakonie gesetzt habe.
Das BAG wird sich also nun erneut mit dem Fall befassen müssen und durch das BVerfG konkretisierte Zweistufenprüfung durchführen müssen.
Auf der ersten Stufe muss die Diakonie nun plausibel vortragen, dass ein direkter Zusammenhang
zwischen der geforderten Kirchenmitgliedschaft und der fraglichen Tätigkeit besteht.
Auf der zweiten Stufe wird das BAG dann zu prüfen haben, ob die Kirchenzugehörigkeit im Hinblick auf die konkrete Tätigkeit für die Wahrung der religiösen Selbstbestimmung verhältnismäßig (geeignet, erforderlich und angemessen) ist.
Das BVerfG betont, dass es sich an die europarechtlichen Vorgaben halte und der Vorrang des Unionsrechts nicht entfalle. Ein weiterer Konflikt mit dem EuGH wurde somit vermieden.
Es bleibt nun abzuwarten, ob der Vortrag der Diakonie der Plausibilitätskontrolle standhält und wie die Gesamtabwägung zwischen den Parteiinteressen ausfällt.
Dass die Kirchenzugehörigkeit strikt und kategorisch für alle Tätigkeiten gefordert werden könnte, bleibt unzulässig.
Im Übrigen würde es ohne nichtchristliche Mitarbeitende in den kirchlichen Einrichtungen auch gar nicht mehr funktionieren, so dass die Realität der Arbeitswelt bereits ein Umdenken der kirchlichen Arbeitgeber erzwungen haben dürfte und durch die Novellierungen der Mitarbeiterrichtlinien bereits Anpassungen erfolgt sind.
Auch wenn insbesondere viele Gewerkschaftsvertreter die Sonderrechte kirchlicher Arbeitgeber nicht wahrhaben möchten, so bleiben sie doch bestehen. Jedenfalls solange sich keine 2/3-Mehrheit für eine Grundgesetzänderung findet, was nicht absehbar ist.
Die Kirchengewerkschaft hat sich bekanntlich für einen pragmatischen Umgang mit den Sonderrechten kirchlicher Arbeitgeber entschieden.
Wir möchten Arbeitsbedingungen gestalten und verbessern. Bevorzugt durch Tarifverträge! Aber auch in den arbeitsrechtlichen Kommissionen, in denen wir uns für die Arbeitnehmerinteressen stark machen.
Dennoch würden wir uns wünschen, dass alle kirchlichen Arbeitgeber das bewährte und rechtsichere tarifvertragliche System übernehmen.
Bekanntlich funktioniert es auch in einigen Landeskirchen u.a. in der Nordkirche, in der das tarifvertragliche System zur Anwendung kommt.
Hier verhandelt die Kirchengewerkschaft mit dem Arbeitgeberverband die einschlägigen Tarifverträge.
Auch bei den Mitarbeiterrichtlinien hat der kirchliche Arbeitgeber Anpassungen vorgenommen, sodass wir hoffnungsvoll bleiben, dass auch bei der Arbeitsrechtssetzung „was geht“...
Silvia Schmidbauer
Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)
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